20.03.2022

Regensburg: Neubau einer Straßenbahn oder Einführung einer modernen, bedarfsorientierten und intermodalen Mobilitätslösung?

Vor knapp 160 Jahren begann man mit der Einführung von Straßenbahnen zur Verbesserung der städtischen Mobilität.
Bis 1914 war dann diese Einführung in Städten – bis zu 20 pro Jahr - weitestgehend abgeschlossen(1).
Neben Dampf- und Pferdeantrieb kam 1881(1) der elektrische Antrieb hinzu, für den sich auch Regensburg 1903 für seine Straßenbahn entschieden hatte(1).
Von den insgesamt 327 eingeführten Straßenbahnen in Deutschland existieren heute noch 67 elektrische Straßenbahnen(1).
Regensburg hatte 1964 seinen Straßenbahnbetrieb ebenfalls eingestellt und setzt seither ausschließlich auf den straßengebundenen ÖPNV mit Bussen(1).

Die Städte, die ihren schienengebundenen ÖPNV, sprich Straßenbahnen am Leben erhielten, konnten ihre Verkehrs- und Stadtplanung orientiert am Schienennetz kontinuierlich weiterentwickeln und mit ihrem straßengebundenen ÖPNV geeignet kombinieren. 
Und auch die neuen Mobilitätsformen mit Scootern und Fahrrädern, Car Sharing, Ride-Hailing und Ride-Sharing sind hier eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Mobilität parallel zum schienen- und straßengebundenen ÖPNV.

Seit man begonnen hat die Verkehrswege für den motorisierten Individualverkehr auszulegen, hat auch der straßengebundene ÖPNV gegenüber dem schienengebundenen ÖPNV profitiert. 
So stehen in Deutschland 5.572 Kilometer an TRAM-Linien 272.614 Kilometer an Buslinien gegenüber(3).

Regensburg hat 419 Kilometer an beleuchteten Straßen(2) auf denen der straßengebundene ÖPNV 2.615 Kilometer an Buslinien(3) hat mit 290 Bushaltestellen(4).
Dem stehen 14,5 Kilometer noch zu bauende Straßenbahnstrecke mit 35 Haltestellen auf 2 Linien verteilt gegenüber(5).

Die Machbarkeitsstudie(5) zur Einführung eines „höherwertigen ÖPNV-Systems“ in Regensburg stellt mehrere ÖPNV-Systeme zueinander in Vergleich:
+ U-Bahnen 
    30.000 bis 40.000 P/h/Richtung
+ Automated People Mover (APM) (= VAL (Véhicule Automatique Léger/„leichtes automatisches Fahrzeug“)
   2.000 bis 8.000 Pers./h/Richtung
+ Straßen-/Stadtbahnen
    bis 10.000 Pers./h/Richtung bei 75m Transportfahrzeuglänge
+ Regionalstraßenbahnen
    bis 10.000 Pers./h/Richtung bei 75m Transportfahrzeuglänge
+ Bus (BRT, BHNS)
    bis 6.000 Pers./h/Richtung
+ Spurbus
    6.000 bis 10.000 Pers./h/Richtung
+ Seilbahnen
   4.000 bis 6.000 Pers./h/Richtung

In Kapitel 3.4 ‘Conclusio und Empfehlungen ÖPNV Technologien’ der Machbarkeitsstudie(5) heißt es schließlich:
   „Die Straßenbahn bringt die höchsten Kapazitäten, die allerdings auch nachgefragt sein müssen. Der ‚Schienenbonus‘ ist ein weiterer Vorteil.“

Sieht man sich in der Machbarkeitsstudie(5) im Plan 7-1 ‚Streckenbelastungen ÖV – Mitfall Tram max‘ den Transportbedarf pro Tag für die Tram-Strecken an, dann wären die Tram-Linien außerhalb vom Stadtzentrum bei einem 5 Minutentakt nicht ausgelastet.
Zu befürchten ist auch, dass die nicht von der künftigen Straßenbahn erschlossenen Stadtteile in ihrer Entwicklung benachteiligt werden könnten; siehe in der Machbarkeitsstudie(5) Abbildung 45 ‚Städtebauliche Verdichtung entlang der Achsen des höherwertigen ÖPNV‘.

Moderne Mobilitätskonzepte wie OMOD - bedarfsorientiert und intermodal - nutzen hingegen komplett das vorhandene Straßennetz. 
Die Fahrziele können daher von unterschiedlichen Richtungen her direkt angefahren werden. 
Der ÖPNV-Verkehr verteilt sich somit im Straßennetz und benötigt auch keinen zentralen ‚Busbahnhof‘ wie in bekannter Form mehr.

Eingehen möchte ich noch auf den in der Machbarkeitsstudie(5) erwähnten Schienenbonus:

„Dabei handelt es sich um die relative Attraktivität von Schienensystemen gegenüber nicht spurgeführten luftbereiften Radfahrzeugen. 
Diese Differenz gilt in Fachkreisen als gegeben, ca. 75% der Passagiere bevorzugen Straßenbahnen gegenüber einem ansonsten identischen Bussystem, und führt zu einer Mehrnutzung von Straßenbahnsystemen.“

Das OMOD-Konzept könnte hier für den ‚Schienenbonus‘ sorgen, da es die Fahrstrecke in Form der nächsten anzufahrenden Umsteigestellen am Transportfahrzeug anzeigt.

Mit dem intermodalen Ansatz können Teilstrecken im Liniennetz mit autonomen Fahrzeugen betrieben werden. 
Neue Sensor- und Kommunikationstechnologien erlauben eine sehr gute Umfeldanalyse für autonom fahrende Busse. 

In Deutschland wurde die erste Straßenbahn im Jahr 1865 in Berlin eingeführt(1). 
Gut 150 Jahre später fährt in Berlin ab April 2022 ein autonomer Linienbus zwischen Bundestag und Adenauerplatz im Rahmen des Projekts „BeIntelli“(6).

Busse können bei hohem Transportbedarf auch elektronisch kaskadiert werden, so dass ein schneller Abtransport von Fahrgästen möglich ist – in Regensburg z.B. Uni-/Hochschule, Großfirmen im Stadtosten und Stadtwesten, Fußballstadion.

Intermodal heißt auch, dass z.B. eine Umsteigestelle als Donau- Unterführung oder Überführung mit einem Personenförderband ausgeführt werden kann, zum Umsteigen auf Transportfahrzeuge zwischen Nord und Süd.

Vor 120 Jahren hat Regensburg zur rechten Zeit auf die moderne Technik einer elektrischen Straßenbahn für den ÖPNV gesetzt. 

Heute hat Regensburg die Chance, seinen ÖPNV auf zeitgerechte und zukunftsfähige Mobilitätskonzepte auszurichten.

(1)  Liste von Straßenbahnen in Europa – Wikipedia und Liste von Städten mit Straßenbahnen – Wikipedia
(2)  Stadt Regensburg - Tiefbauamt - Abteilung Straßenbau
(3)  VDV-Statistik-2020
(4)  Startseite - OpenData ÖPNV (opendata-oepnv.de)
(5)  Stadt Regensburg - Bus und Bahn - Planung zur Einführung einer Stadtbahn und Secure Data Space (regensburg.de)
(6)  In Berlin fährt ab April 2022 ein autonomer Linienbus – kostenlos für alle (next-mobility.de)

Digitalplan Bayern: Digitalisierung im öffentlichen Verkehr
Digitalplan Bayern: Multimodale Plattform (Web und App) mit Routingfunktion. Verkehrskameras, aktuelle Verkehrslage, Defas-Fahrplandaten uvm. sind integriert. Neueste Projekte: Ladesäulen für E-Autos und Parkplatzbelegung.

Admin - 23:40 | Kommentar hinzufügen

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